Bauen mit Stroh
Als Architekten, die sich dem nachhaltigen Holzhausbau verschrieben haben, sind wir immer auf der Suche nach Möglichkeiten, unsere Häuser noch ökologischer zu konstruieren. Daher beschäftigen wir uns nun schon seit geraumer Zeit mit dem Bauen mit Stroh, also mit Stroh als Bau- und Dämmstoff. Besonders hilfreich waren dabei die Strohbaurichtlinie des Fachverband Strohballenbau (FASBA) und der Fachverband selbst. Seit diesem Jahr sind wir eines von 150 Mitgliedern des FASBA, da wir im Bauen mit Stroh großes Potenzial erkennen und die Arbeit des Fachverbands Strohballenbau in der Weiterentwicklung des Strohballenbaus unterstützen wollen. Der FASBA ist einer der bedeutendsten Akteure in diesem Gebiet, hat die Strohbaurichtlinie als Grundlagenwerk entwickelt, eine bauaufsichtliche Zulassung von Stroh als Baustoff und eine europäische Zulassung mit CE-Zertifizierung erwirkt, weshalb inzwischen zertifizierte Strohballen als anerkanntes Bauprodukt verwendet werden können.
Der FASBA hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Bauen mit Stroh zu fördern. Neben Beratungs- und Bildungsangeboten betreibt der Fachverband Strohballenbau viel Öffentlichkeitsarbeit, darüber hinaus wird stetig geforscht und das Bauen mit Stroh weiterentwickelt. Die Ergebnisse sollen ganz im Sinne der Gemeinnützigkeit der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Der FASBA wurde 2002 im ökologischen Modelldorf Sieben Linden in Sachsen-Anhalt gegründet.
© Freundeskreis Ökodorf e. V.
Das Ökodorf existiert bereits seit 1997 und versteht sich als ganzheitliches Gemeinschaftsprojekt. Hier wurden neben kleineren Projekten bereits elf größere Häuser mit Stroh als Dämmstoff gebaut. Unter anderem wurde ein Gästehaus errichtet, in dem Ausbildungen und Qualifizierungen von Planern und Handwerkern, aber auch Schulungen für sämtliche Akteure des Strohballenbaus stattfinden, also auch für private Bauherren und Interessierte.
© Freundeskreis Ökodorf e. V.
Gegenüber dem Bauen mit Stroh gibt es vielerlei Vorurteile, die zunächst plausibel klingen. Zum einen wird gerne angeführt, dass Stroh doch viel zu leicht entflammbar sei und dass sich Ungeziefer und Mäuse gerne darin einnisten. Außerdem befürchten viele Menschen, dass Feuchtigkeit ein Problem sein könnte und Stroh leichter schimmeln würde als andere Dämmstoffe. Offen und lose ist Stroh tatsächlich leicht entzündlich, mikrobiell zersetzbar und daher für Nagetiere und Ungeziefer verwertbar. Fachgerecht verbaut ist Stroh jedoch optimal gegen diese Einflüsse geschützt, da es fest gepresst, lückenlos verbaut und dicht verkleidet wird. Dadurch erreicht es Normalentflammbarkeit und ist nicht länger für Ungeziefer und Nagetiere verwertbar. Stroh ist somit als Baustoff dauerhaft sicher. Wie bei allen anderen Dämmstoffen ist es wichtig, Stroh gut vor eindringendem Wasser zu schützen, um Schimmelbildung vorzubeugen. Stroh als Dämmstoff steht seiner Konkurrenz damit also in nichts nach und kann ohne Bedenken als Dämmstoff eingesetzt werden.
Dank der starken Kompression gelten die Strohballen als normalentflammbar und sind somit als regulärer Baustoff einsetzbar und brandschutztechnisch unbedenklich. Durch die ohnehin notwendigen Bekleidungen kann die Entzündbarkeit beeinflusst und weiter herabgesetzt werden, beispielsweise durch entsprechend dicken Lehmputz oder Plattenwerkstoffe. Für die Dämmwirkung des Strohs ist die Ausrichtung der Ballen von hoher Bedeutung. Da die Strohballen Wärme entlang der Halme leiten, wird empfohlen, die Strohballen hochkant stehend oder hochkant liegend zu verbauen.
© Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V.
An heißen Tagen sorgen natürliche Dämmstoffe wie Stroh und auch andere von uns gerne verwendete Baustoffe, wie die Naturfaserdämmung, zusätzlich für einen besseren sommerlichen Wärmeschutz als Polystyrol oder Mineralwolle.
Strohballen können bedenkenlos als Baustoff verwendet werden, wenn sie den Vorgaben entsprechend hergestellt und zertifiziert worden sind. Seit 2014 können sie dank einer Umweltproduktdeklaration auch ökobilanziell bewertet werden. Als tragende Bauteile dürfen Strohballen bislang nur in besonderen Einzelfällen verwendet werden, da hierfür noch keine allgemeine Zulassung vorliegt. Zwar gibt es zahlreiche Beispiele aus dem 19. Jahrhundert, bei denen mit großformatigen Mauersteinen aus Stroh gearbeitet wurde, jedoch müsste man hierfür in Deutschland eine Genehmigung im Einzelfall erwirken. Das wird sich für die meisten Vorhaben jedoch kaum lohnen. In der Schweiz konnte der Schweizer Architekt Werner Schmidt jedoch ein dreigeschossiges Haus in dieser Weise realisieren, wobei die Wände einen Meter dick sind und aus tragenden Strohballen bestehen.
Um aus herkömmlichen Getreidestroh einen Baustoff herzustellen, der zur Dämmung von Häusern verwendet werden kann, braucht es nicht viel. In landwirtschaftsüblicher Weise wird das Stroh zu quaderförmigen Ballen gepresst. Besonders gut eignen sich hierfür Roggen, Weizen, Gerste, Triticale, Dinkel und Einkorn. Diese Ballen mit den Maßen von circa 36 cm x 48 cm x 86 cm sind dann zwar geeignet, aber noch nicht als Baustoff zugelassen. Dazu benötigen die Ballen noch die Zertifizierung durch die Baustroh GmbH oder die Sonnenklee GmbH. Die Unternehmen prüfen, ob die Eigenschaften wie Wärmeleitfähigkeit und Entflammbarkeit entsprechend der Zulassung erreicht werden und verleihen bei Bestehen der Prüfung die CE-Kennzeichnung. Die Unternehmen haben selbst keinen nennenswerten Bestand an Strohballen, den sie verkaufen, sondern zertifizieren lediglich Strohballen von lokalen Landwirten. Das ist so gewollt, da hierdurch die Regionalität des Produkts gewährleistet wird und Transport- und Logistikkosten vermindert werden.
In Deutschland fallen jedes Jahr etwa 40 Millionen Tonnen Getreidestroh an, davon werden ungefähr 30 Millionen Tonnen in Form von Einstreu oder Futter wiederverwertet. Etwa zehn Millionen Tonnen bleiben dabei übrig und können energetisch oder stofflich genutzt werden. Diese Menge würde für den Bau von ungefähr 350.000 strohgedämmten Einfamilienhäusern ausreichen. Vor allem aber ist Stroh ist ein nachwachsendes Nebenprodukt der Landwirtschaft. Es muss nicht extra angebaut werden, auch müssen keine Flächen für den Anbau freigemacht werden, wodurch es besonders ressourcenschonend und energieeffizient in der Herstellung ist. Getreidestroh ist so ziemlich überall in Deutschland regional verfügbar. Bei der Herstellung der Strohballen wird keine spezielle Produktionsstätte oder Werkhalle benötigt. Zudem wird weniger Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt als bei anderen Dämmmaterialien. Darüber hinaus speichert das Stroh CO2 während seines Wachstums und trägt somit in Summe positiv zur CO2-Bilanz bei. Auch nach Jahren der Nutzung als Dämmstoff ist Stroh recycelbar und kann kaskadenartig weiterverwendet werden. Die energetische Nutzung durch Verbrennung ist ebenso möglich wie eine Rückführung in den natürlichen Kreislauf durch Verrottung. Zusammen mit der Holzrahmenkonstruktion und einer Bekleidung aus Lehmputz haben wir mit dem Strohballenhaus eine der derzeit nachhaltigsten Bauweisen.
Strohballendämmung findet heute vor allem im Neubau Anwendung. Allerdings ist es auch möglich, Strohballen nachträglich als Dämmmaterial einzusetzen. Das entsprechende Dämmpaket ist dabei jedoch 40 Zentimeter dick, da zu dem Baustroh noch eine wetterfeste Bekleidung benötigt wird. Dennoch gibt es hierfür zwei Möglichkeiten. Zum einen kann eine Holzrahmenbauwand, die mit Strohballen ausgefacht wurde, vor die konstruktive Ebene gestellt werden, wobei diese dann nur ihr Eigengewicht tragen muss. Alternativ können die Strohballen auch vorgehängt werden und das Eigengewicht kann geschossweise abgefangen werden. In beiden Fällen muss die Dämmebene noch einmal mit Lehm- oder Kalkputz bekleidet werden, um wetterfest zu sein und Schimmelbefall zu verhindern.
Laut eigener Aussage des FASBA ist die Grundlagenarbeit für das Bauen mit Stroh weitgehend abgeschlossen. Als Nächstes sollen der Brandschutz verbessert und weitere Bauteilaufbauten zugelassen werden, beispielsweise Aufbauten mit ausgewiesenem Feuerwiderstand. Unsicher ist sich der FASBA bei der Entwicklung der lasttragenden Strohballen, doch auch hier soll weiter geforscht werden. Kurzfristig hat der FASBA die Absicht, einen noch fehlenden Markt für strohgedämmte Häuser aufzubauen und plant daher die weitere Qualifikation von Akteuren, die Strohballenhäuser bezugsfertig anbieten können.
Als Architekturbüro konnten wir erst kürzlich unser erstes Einfamilienhaus mit Strohdämmung akquirieren und planen. Nun hoffen wir auf weitere Bauherren, die ihr strohgedämmtes Holzhaus mit uns planen möchten. Wir sehen großes Potenzial in dem Baustoff und werden künftige Entwicklungen weiterverfolgen.
Was uns an der Bauweise begeistert: Kaum ein anderer Dämmstoff ist so nachhaltig, regional verfügbar und spart derart Ressourcen. Zudem ist das Bauen mit Stroh extrem gut mit unserer ökologischen Holzrahmenbauweise vereinbar. Da beim Einbringen und Verputzen der Strohballen viel Zeit in Anspruch genommen wird, kann viel Geld durch Eigenleistungen eingespart werden, wodurch Bauherren einen ganz anderen, noch viel innigeren Bezug zu Ihrem Haus bekommen. Wenn Sie Fragen zur Dämmung mit Stroh haben und ein strohdämmtes Haus gerne mit uns planen möchten, dann melden Sie sich gerne bei uns.